Die römische Großkelteranlage von Piesport

Fundort: Piesport (Kreis Bernkastel-Wittlich), "Im Briech", 1985/86, 3./4. Jahrhundert n. Chr.

Schon bisher zählte die Gemeinde Piesport zu den Ortschaften des Moseltals, die auf eine relativ frühe Überlieferung von Weinbergen zurückgreifen konnten. Nach dieser Quelle, die in die Jahre 776/777 datiert, vermachte ein gewisser Walac der Prümer Abt Assuerus neben anderen Besitzungen auch zwei kleine Weinberge am Moselufer bei Piesport:"...vineolas duas super fluvium Mosella (!) ad porto pigontio...". Im Jahre 1985 erbrachte ein glücklicher Neufund nicht nur eine Bestätigung dieser Urkunde, sondern sogar den archäologischen Nachweis dafür, dass in Piesport schon seit dem 4. Jahrhundert n. Chr. Wein bearbeitet wurde.

Bei umfangreichen Untersuchungen des Rheinischen Landesmuseums konnten am westlichen Ortsrand (Flur "Im Briesch") in den Jahren 1985/86 mehr als zehn Räume und sieben Becken bzw. Wannen einer größeren römischen Kelteranlage nachgewiesen werden. Das im Laufe der Zeit verschiedentlich erweiterte Gebäude umfasst zuletzt eine Breite von mehr als 44 m und eine Tiefe von mindestens 20 m. Die Vorderfront des Gebäudekomplexes war nicht zu fassen, da sie ursprünglich wohl bis ans Moselufer reichte und in nachrömischer Zeit ein Opfer der immer wiederkehrenden Hochwasser wurde.

                 

Die Besonderheit der Anlage besteht in der Vielzahl und der Anordnung der Becken, die ausnahmslos mit einem Estrich aus einem Kalk-Ziegelgemisch versehen waren, wobei die Winkel zusätzlich durch einen Viertelrundstab abgedichtet waren. Die Keltranlage umfasst zunächst sechs Becken unterschiedlicher Form, die paarweise auf drei verschiedene Terrainhöhen angelegt waren. Die obersten, nahezu quadratischen Becken (2 und 3) hatten eine Kapazität von mindestens 11.000 bzw. 12.000 Liter. Ob sie über eine Zuleitung mit den darunter errichteten viertelkreisförmigen Becken (5 und 6) in Verbindung standen, war nicht mehr zu klären, da die Mauer an den entscheidenden Stellen ausgebrochen war.

Jene wesentlich kleineren Becken hatten nur noch ein Fassungsvermögen von rund 4.000 Liter. Sie lagen innerhalb größerer Räume (7 und 8), von denen zumindest der westliche Hinweis auf eine dort installierte Baumpresse lieferte. Mächtige Pfostenlöcher von 0,60 m Durchmesser, ein daneben freigelegtes, stufenförmiges Podest sowie ein mehr als 20 Zentner schwerer Sandstein mit seitlichen Nuten, die der Aufhängung dienten, bilden offenbar die Reste eines ehemaligen Baumkelters. Von den viertelkreisförmigen Becken, die somit als Kelterbecken anzusprechen sind, führte je ein Ablass zu einem wiederum tiefer gelegenen kleineren Sammelbecken, von denen das westliche späteren Umbaumaßnahmen zum Opfer fiel. Der Abfluss vom westlichen Kelterbecken wurde daher in das östliche Auffangbecken umgeleitet. Gerade dieser Ablass lieferte die ersten römerzeitlichen Traubenkerne des Moseltals. Das gemeinsame Sammelbecken (4) fasste bis zu 2.500 Liter. Von zwei Seiten konnte daraus der Most abgeschöpft und abgefüllt werden. An den beiden nicht zugänglichen Seiten war im Becken ein stufenförmiger Absatz angebracht, der vermutlich nur dann betreten wurde, wenn der letzte Most ausgeschöpft werden musste. Im Bereich des Zuflusses war noch der Abdruck eines kastenförmigen Sammlers zu erkennen, der vermutlich siebartig durchlocht war und die Kerne wie sonstige Kelterrückstände aufzufangen hatte. Das Fassungsvermögen der Kelteranlage reichte im Laufe der Jahre offenbar nicht aus, so dass nachträglich an der Ostseite ein weiteres Becken (1) mit einem Volumen von 7.500 Liter angebaut werden musste. Die räumliche Anordnung der Becken ist für das römische Rheinland bisher ohne Parallele, obwohl bei Maring-Noviand eine ähnliche, jedoch wesentlich kleinere Anlage entdeckt wurde.

Wenn in Piesport weitere größere Becken vorhanden waren, geben diese vielleicht einen Hinweis auf die dort verarbeiteten Trauben. Zu denken wäre dabei an Rotwein, da dieser vor dem Keltern längere Zeit maischen musste. Selbst Moselbeschreibungen des 19. Jahrhunderts erwähnen verschiedentlich noch den Anbau von Rotwein, wobei in Piesport um 1910 der letzte Rotwein gelegt worden sein soll. Die Piesporter Kelteranlage umfasst also zwei bzw. drei Maischebecken, zwei Kelterbecken und zwei, später nur noch ein Auffangbecken. Zu überlegen wäre auch, ob die beiden Kelterbecken nicht zu unterschiedlichen Vorgängen genutzt wurden, wobei im westlichen Becken die Maische, im östlichen die Trester (Treber), nachdem sie aufgebröckelt worden war, ausgepresst wurden. 

Im östlichen Becken hatte der Pressbalken der Baumkelter auch eine größere Hebelwirkung, da der Balken offenbar in bzw. vor der Ostmauer von Raum 8 eingelassen oder befestigt war, der Gewichtstein hingegen auf das westliche Ende des Balkens drückte.

     

Bemerkenswert ist auch der westliche Gebäudetrakt, der nachträglich angebaut wurde und zu dem mindestens vier kleinere, teils in den Fels gegrabene Kellerräume (1 - 4) zählten. Selbst für die Zwischenmauern nutzte man den anstehenden Fels, indem man ihn sorgfältig abschrotete und nur im oberen Bereich durch Mauerwerk ergänzen musste. Die Wände dieser Kellerräume erreichten noch Höhen bis zu 3,60 m und waren zumindest auf drei Seiten geschlossen. Nach Süden, zur vierten Seite, waren weitere, im Zuge der Bauarbeiten größtenteils zerstörten Räume vorgelagert, bei denen es sich gleichfalls um Keller gehandelt haben dürfte. In einem Keller (3) wurde nachträglich ein Hypokaustum (Heizung) installiert, das allerdings nur in den Winkeln des Raumes eine Tubulierung (Rauchabzug) aufwies, die offenbar in den Kellerraum selbst und nicht nach außen führte. Darin dürften wir die Reste eines Fumariums, einer Rauchkammer erkennen, über die u.a. Columella (1,6,29) ausführlich berichtet. Danach erhielt der Wein in einem solchen Fumarium durch die Zuführung von bestimmtem Rauch eine vorzeitige Reife, wobei der Rauchgeschmack ein nicht immer gewünschter Nebeneffekt war, über den sich gerade Martial und Plinius beklagen.

Das Fundmaterial datiert unsere Kelteranlage ins 3. zumindest in die Hälfte des 3./4. Jahrhunderts n. Chr.. Vereinzelte merowingerzeitliche Scherben könnten ebenso wie zwei auf einem östlichen Nachbargrundstück im Jahre 1949 freigelegte Gräber des 7. Jahrhunderts eine kontinuierliche Nutzung bis ins frühe Mittelalter erkennen lassen. Bemerkenswert sind ferner ein kleineres Rebmesser sowie eine Bleiplombe, die aufgrund ihrer Form und Schrift vermutlich aus Nordafrika stammt und vielleicht einen Hinweis auf aus dieser Region importierte Gewürze gibt, die in der Antike vielerorts dem Wein zugesetzt wurden.

Die Größe der Maischebecken erlaubt vielleicht auch Rückschlüsse auf den Umfang der damaligen Rebfläche. Gehen wir von einem Rotwein üblichen Maischeprozess von 10 - 14 Tagen aus, der sich in heißen Jahren erheblich verkürzte, konnten die Maischebecken mindestens zweimal während einer Leseperiode gefüllt werden. Dies würde einer Kapazität von mehr als 60.000 Liter entsprechen. Dass  das ursprüngliche Volumen von 45.000 Liter nicht ausreichte, zeigt der nachträgliche Anbau eines weiteren Maischebeckens. Bei den damaligen Erträgen und Keltermöglichkeiten (6.000 bis 7.000 Liter Maische = 3.000 bis 4.000 Liter Most) können wir daher eine Rebfläche von mindestens 10 ha postulieren, die wie unser Kelterhaus im Bereich des "Goldtröpfchens", der besten Piesporter Weinlage, zu suchen wäre. Im Falle von Weißwein müsste man von einer fünftelgrößeren Anbaufläche ausgehen, die in dem Falle mehr als einem Viertel der heutigen Rebfläche von Piesport entsprechen würde. Während der Most zunächst noch abtransportiert und an anderen Stellen gelagert wurde, wurden später vier vielleicht sogar acht Kellerräume errichtet, die mit einer Lagermöglichkeit von 15 bzw. 20 Fuder wiederum dem Ertrag aus 10 ha entsprechen würde.

Die späte Zeitstellung sowie die Größe unserer Kelteranlage lassen weniger an eine private als eine staatliche Einrichtung in Art einer Domäne denken, die möglicherweise sogar für den kaiserlichen Hof oder die Präfektur in Trier arbeitete.

Verfasser:
Dr. Karl-Josef Gilles
Rheinisches Landesmuseum Trier